Die Sterne, Tarot und Ur-Ideen

Die Sprache der Mythen hat uns einen Schatz überliefert - und vergleichende Mythologie fördert diesen zutage: eine übereinstimmende globale Symbolik nämlich, die zeigt, dass der Kosmos seinem griechischen Namen alle Ehre macht - er ist geordnet, nach Maß und Zahl. Die uralte Sprache der Symbole enthält Formeln, die uns diese Ordnung zeigen, wenn wir sie zu verstehen suchen.

Diese Seite möchte zu einer philosophischen Reise in die Welt der Symbole einladen und dabei auf einige interessante Verknüpfungen und wiederkehrende Muster aufmerksam machen, die zwischen scheinbar unterschiedlichen, zu verschiedenen Zeiten, in verschiedenen Kulturen mit verschiedenen Namen benannten, in verschiedenen Sprachen beschriebenen Phänomenen in diesem Kosmos bestehen.

Unsere Vorfahren nutzten zur Weitergabe ihres Wissens die Sprache der Mythologie, die nicht von ungefähr viele Begriffe ihrer Formelsprache (das griechische Wort Kosmos ist eines von vielen) der heutigen wissenschaftlichen Fachsprache vererbt hat.

Es bestehen viele "Systeme", welche versuchen, die himmlischen Gesetze des Kosmos zu verstehen, Gesetze, die auf geistiger Ebene wirken. Erkenntnislehren wie Gnosis oder Mystik gehören z.B. dazu. Ebenso wie in der Wissenschaft wird versucht, den Kosmos in begreifbare Teile zu zerlegen, allerdings erfolgt dies in einer zur Wissenschaft gegensätzlich ausgerichteten Weise. Und so gibt es dabei auch kein "falsch" oder "richtig".

Erkenntnislehre, vertikal
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Ur-Ideen

Ur-Ideen, Ur-Prinzipien (auch Archetypen) liegen am Ursprung einer gedachten vertikalen Achse, die als Senkrechte den Kosmos von oben nach unten durchzieht. In der Sprache der Mythologie nannte man solche gemeinsamen, Phänomenen übergeordneten Prinzipien auch "Götter" (was schon zu vielen Missverständnissen geführt hat..) Als "Götter" konnten alle Arten von Symbolen dienen - Sternbild, Planet oder Zahl - sie sind Teil eines Prinzips, man kann sie als Titel, Etikett oder Überschrift der eigentlichen Ur-Idee auffassen, welches sie vertreten

Zahlen oder Sternbilder, Tarotkarten, etc., vertreten als "Etiketten" ihr jeweiliges Ur-Prinzip, welches das gemeinsame zwischen der Zahl und der ihr zugeordneten Phänomene ist. Man könnte aus einer Analogiekette ebensogut eine Pflanze oder ein Tier auswählen, um diese zu etikettieren (was auch geschehen ist: Viele Sternbilder tragen Tiernamen, oder vgl. Tiertotems der Urvölker). Auf dieser Seite werden sowohl Sternbilder wie auch Tarotkarten als Bezugspunkte für Symbolketten genutzt.

Sterne
Tarot


Die Gestirne am Himmel, allen voran die klassischen 7 Planeten sowie die 12 Tierkreiszeichen und weitere Sternbilder (der Antike) sind die prominentesten Namensgeber der Mythologie überhaupt, auf ihnen basieren die meisten der vielen verschiedenen Götternamen und Überlieferungen quer durch alle Kulturen und Zeiten.

Weil die Prinzipien selbst sich Raum und Zeit entziehen und ihre jeweiligen Vertreter dasselbe nur anzeigen, ist es natürlich nicht zulässig, kausale Zusammenhänge herzuleiten, also z.B. einen Planeten "verantwortlich" zu machen für irdische Auswirkungen eines Prinzips; das ist ebenso absurd, als würde man sich vor der Zahl 1 niederwerfen und diese anbeten, nur weil sie die göttliche Einheit symbolisiert (Die → Astrologie wird heute leider so beschrieben, dabei hatte sie in ihrem Ursprung nichts mit Aberglauben und Zukunftsdeutelei zu tun). Aristoteles spricht in seiner 'Metaphysik' von den Ur-Ideen und hat auf die Unmöglichkeit hingewiesen, diese Ur-Ideen beispielsweise in den Zahlen selbst zu suchen.

Symbolisches Denken

Beispiele für vertikales oder analoges Denken

Auch das menschliche Denken lässt sich in eine vertikale und horizontale Achse unterteilen. Das wissenschaftliche Denken horizontal - das analoge, symbolische Denken vertikal.
Da für jedes Fachgebiet bestimmte Lerninhalte bestehen, lernen Ernährungswissenschaftler beispielsweise etwas über den Organismus, z.B. Herz, Magen und Nahrungsaufnahme des menschlichen Körpers. In der Automechanik lernen angehende Mechatroniker, wie Motor, Tank und Kraftstoff beim Auto funktionieren. Aus horizontaler Sicht sind Ernährungslehre und Automechanik zwei verschiedene Bereiche, die im wissenschaftlichen Denken nichts miteinander zu tun haben. Aber die vertikale Sicht durchdringt den Wissenswald senkrecht, bildet Analogien und entdeckt dabei prinzipielle Gemeinsamkeiten.
Aus vertikaler Sicht, also aus dem symbolischen Denken heraus, haben die genannten Begriffe etwas gemeinsam:
Organismus Herz Magen Nahrung
  ↑ ↓ ↑ ↓ ↑ ↓
Kraftfahrzeug Motor Tank Kraftstoff


Der Zusammenhang zwischen Herz und Motor oder Nahrung und Kraftstoff leuchtet relativ einfach ein. Die Entdeckung solcher Gemeinsamkeiten hilft, die den Erscheinungen zugrundeliegenden Prinzipien in der Welt zu verstehen. Mit vertikalem Denken findet man in ganz verschiedenen Wissensbereichen Ähnlichkeiten, Entsprechungen, und kann diese analog von einer Ebene auf die andere übertragen. Kreativität und Kunst entstehen so, auch "neue" Erfindungen (weil deren Prinzip auf einer anderen Ebene sichtbar ist). Wenn Ingenieure in der Bionik von der Natur lernen, beispielsweise vom Aufbau des Bambus etwas über dessen Festigkeit und Stabilität, um diese Eigenschaften im Brückenbau zu nutzen, haben sie damit - fachübergreifend - das vertikale Prinzip übertragen.

Ein besserer Überblick über die vertikalen Einteilungen der Welt ergibt sich, wenn die Prinzipien Namen bekommen, Titel, die sie als solche kennzeichnen. Unsere Altvorderen haben diese Arbeit erledigt, indem sie an den Himmel schauten und als oberste Vertreter der Prinzipien die Sterne, Tierkreiszeichen und Planeten wählten. Diese "Götter" wurden personifiziert und so entstanden zahlreiche Mythen, Sagen und Erzählungen, um die Phänomene zu beschreiben. Mit einer (neu entdeckten) vertikalen Sichtweise erschließen sich die Metaphern und Symbole (wieder), sodass man nach und nach erkennt, wie viel Weisheit und Wissen sich in so manchen (aus nur horizontalem Blickwinkel unsinnig erscheinenden) Mythen und Sagen, aber auch Sprichwörtern und Redewendungen verbirgt. 3 mal auf Holz klopfen, damit möchte man sich toi-toi-toi, wiederum dreimal Glück wünschen, und dreimal hoch leben, denn alle guten Dinge sind 3, der Planet Jupiter gilt als "Glücksbringer, der die 3 Schicksalsnornen gütig stimmt", dient als oberstes Symbol für die Glücks-Analogiekette, und dem Jupiter hat man auch die Tarotkarte Glück / Rad des Schicksals zugeordnet.

Die Sprache der Mythen

Wer überlieferte Mythen wörtlich nimmt (sie aus horizontaler Sicht betrachtet), erfasst ihren Sinn nicht wirklich. Es entstehen die naivsten Missverständnisse, wie z.B. dass die Erschaffung der Frau ein improvisierter chirurgischer Eingriff am Brustkorb des Mannes gewesen sein müsse. Oder ein Schiff habe 50 Ellen gemessen, aber alle Tiere dieser Welt von Affe bis Zebra, körperlich und in 2-facher Ausfertigung, als Passagiere aufnehmen können. Aus dieser Perspektive heraus neigt mancher zu überheblichen Urteilen: "die Leute waren ja früher doof, sowas zu glauben!". Antike Texte leiden bis heute unter ungenauen Übersetzungen. Dem hebräischen Bibel-Original-Text ist im Grunde durch jede Übersetzung "etwas davongenommen" oder "dazugetan" worden, obwohl genau davor von den Verfassern ausdrücklich gewarnt worden ist. Da das Hebräische viele mehrdeutige Worte enthält, von denen beim Übersetzen ein großer Teil sinnvoller Bedeutungen im Lateinischen oder anderen moderneren Sprachen verlorengehen muss, kann jede Übersetzung immer nur ein müder Abklatsch des Originals sein. Hinzu kommt noch, dass die hebräischen Worte selbst sich auch noch in ihrer Bedeutung und Deutung im Laufe der Jahrtausende gewandelt haben. Last not least: Die erste Deutungshoheit lag bei Mönchen, denen die Verbreitung der klerikalen Lehre wichtiger war, als Inhalte präzise wiederzugeben. Manche alten Schriften werden von modernen Menschen sicher nicht zuletzt wegen solcher Verfremdung als verstaubter Unsinn eingestuft. Andere stellen den Wahrheitsgehalt alter Schriften gar nicht in Frage und sagen, nimm es doch nicht so wörtlich. Sie nehmen zwar die bildhafte Sprache der alten Texte in Schutz, weil sie an Bibel oder Koran "glauben wollen", befassen sich aber ebensowenig oder nur oberflächlich mit der ursprünglich darin enthaltenen Information.
Aus Sicht der Urheber stellt es sich aber eher so dar, dass wir heute "zu doof" sind, nämlich unfähig, alte Symbol- und Bildersprache noch zu verstehen. Gehen wir mit Kenntnissen der Symbolsprache an einen alten Text, können wir darin enthaltene Prinzipien (wieder-)entdecken, und beispielsweise zu einem Ausdruck wie "2 von jeder Art", Analogien bilden und uns an den Sinn der Überlieferung vorsichtig herantasten. Die Einteilung in männlich und weiblich beschreibt das Prinzip des Geschlechts, symbolhaft ausgedrückt durch die 2. In der Sprache der Mythen ist dieses Prinzip auch oft mit Sonne (Mann) und Mond (Frau) beschrieben worden.
Zahl 2. Zahlen wie 7, 12 oder 50 uvm. führen zu weiteren Urprinzipien und dienten häufig als "Überschriften" für diese. → Zahlen, → 7 Planeten.

Ein Prinzip kommt nicht allein, und es haben höhere Prinzipien ihre Unter-Prinzipien, in die sie sich aufteilen. Mythologisch gesprochen sind solche Unter-Abschnitte manchmal Söhne oder Töchter, übergeordnete Prinzipien kommen mythologisch als "Eltern" daher, die sich in "Kinder" aufteilen. Auf diese Weise lässt sich beispielsweise ein Zeitabschnitt metaphorisch beschreiben. Der erste, große Zeitabschnitt ist in Mythensprache natürlich etwas allem anderen übergeordnetes wie ein "Kaiser" oder "Vater" (z.B. ein Jahr), mit seinen 12 "Königen" oder "Söhnen" oder "Stämmen" oder 12 Untertanen (Jahres-Abschnitte = 12 Monate). → Zahl 12.

Wissenschaft

"Normale" Wissenschaft arbeitet zumeist mit den begreifbaren Phänomenen, d.h. auf der irdischen Ebene in Raum und Zeit. Fachbereiche wurden mehr und mehr aufgeteilt, um einzelne Phänomene im Kosmos näher untersuchen zu können. Forschung widmete sich bestimmten Gebieten, z.B. der Astronomie oder Archäologie, Wissenszweige verästelten sich weiter in Unterabteilungen wie Stadtarchäologie, altägyptische Archäologie, usw. Diese immer weiter gehende Verzweigung hat dazu geführt, dass das "große Ganze" vom einzelnen Wissenschaftler nur noch selten betrachtet wird. Naturgemäß gehen Symbole und Prinzipien fließend ineinander über, sie sind nicht exakt definierbar und entziehen sich damit den Methoden moderner Wissenschaft. Jedes Fachgebiet hat eine eigene Sprache, mit dem es sich von anderen Gebieten abgrenzt, um möglichst exakt und genau zu sein. So bildet jeder Fachbereich für sich genommen eine eigene Welt - anscheinend mit völlig eigenen Gesetzen. In der wissenschaftlichen Betrachtung der Mythologie entstand, weil man diese nach Kulturen trennte, in ähnlicher Art - horizontal - eine Inflation der verschiedensten Götter-Namen, welche sich im Ursprung - vertikal - zu den gleichen kosmischen Prinzipien zurückführen lassen. Frühere Wissenschaft unterschied sich u.a. von der heutigen dadurch, dass sie noch nicht so zergliedert war, dabei war sie durchaus nicht weniger detailliert, denn die ihr eigene bildhafte, oft dichterische (= verdichtete) Sprache ermöglichte es, Wissen auf mehreren Ebenen und in mehreren Bereichen weiterzugeben.

Der Mythos erzählt die Struktur des Kosmos, er handelt ausschließlich von periodisch wiederkehrenden Phänomenen; singuläre Geschehnisse spielen keine Rolle, seien es Naturkatastrophen, sei es das Auftreten herausragender Individuen. (...) die archaische Fachsprache ist, anders als unsere Formeln, aus der täglichen Umgangssprache abgeleitet. Planeten werden geboren, heiraten, geraten auf Abwege, ziehen in den Krieg, sterben und dgl.. Katastrophen und Erdbeben dienen zur Ausmalung der Wirkungen der Präzession der Äquinoktien. Eben dieser Umstand hat, beinahe zwangsläufig, zu den vielen Fehl-Interpretationen des Mythos geführt. (...) Die Dichter alter Zeiten waren überaus gelehrte, in der Astronomie bewanderte Leute. (...) Sobald Sie sich der Unabdingbarkeit einer Fachsprache bewusst geworden sind, werden Sie aufhören, über Formeln und Sprachbilder hinwegzusehen, ... Sie werden dann z.B. nicht mehr sagen: die alten Inder, oder wer auch immer, glaubten nämlich, die Erde sei rechteckig, sondern Sie werden vorziehen zu sagen: altindischer Formulierung gemäß ist die Erde rechteckig, und sich dann daran machen, herauszufinden, was denn da formuliert worden ist. Bei der rechteckigen Erde handelt es sich um die gedachte Ebene durch die Jahrespunkte, also um einen Ausschnitt aus der Ekliptik-Ebene, begrenzt durch die Konstellationen, die an den beiden Äquinoktien und den beiden Solstitien heliakisch aufgehen. Sie begreifen, denke ich, wie gründlich Sie sich den Weg zu jeder Einsicht verstellen, wenn Sie allemal auf das verkehrte Verbum "glauben" ausweichen, sobald Sie nicht verstehen, wovon jeweils die Rede ist; und Sie begreifen, daß die Neigung, eben dieses Verbum zu benutzen, eine logische Folge des Glaubens - hier passt das Wort-, des Glaubens an kulturelle Evolution sei: der absurdeste Nonsense ist immer noch gut genug, um ihn unseren fernen Vorvätern als "Glauben" in die Schuhe zu schieben."

(H. v. Dechend - Archaische Kosmologie44)

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