Schenken als Ritual

Ratgeber für Kontakt, Partnerschaft und Familien finden sich heute wie Sand am Meer. Das beginnt schon vor der Anbahnung einer Beziehung: Partnersuchbörsen und Single-Vermittlungsdienste geben zahlreich Tipps und Ratschläge für Kontakt und Kennenlernen. Auch für die “Arbeit an der Beziehung” hat die Psychologie die ausgefeiltesten Programme parat. Dies alles mag hilfreich sein, doch manchmal geraten dabei gerade die einfachen Mittel, Gemeinsamkeit und Zusammenhalt zu fördern schlicht in Vergessenheit.

Manche Menschen sind gern bereit, gewissen Regeln zu folgen, weil dies eine gewisse Sicherheit verspricht. Einander widersprechende oder komplizierte Ratgeber können aber das Gegenteil zur Folge haben, man ist anschliessend noch verunsicherter und sieht den Wald vor Bäumen nicht mehr. Aber auch ohne komplizierte Überlegungen lassen sich oft große Wirkungen erzielen, indem man sich in Jahrhunderten bewährte Traditionen zu nutze macht. Was der Medizin mit ihren “alten Hausmittelchen” recht ist, kann einem im Kontakt mit den Mitmenschen billig sein. Seit alters her hat man sich untereinander Geschenke gemacht, um Gemeinsamkeiten zu festigen und aggressive Tendenzen zu zerstreuen. Gastgeschenke für Fremde und Freunde, aber auch Geschenke innerhalb des Familienclans gehörten bei den Indianern und vielen anderen Naturvölkern zum festen Brauchtum. Das Ritual von Geben und Nehmen war sowohl auf materieller als auch auf geistig-seelischer Ebene fester Bestandteil des Lebens.

Schauen wir in die eigene Vergangenheit, finden wir ebenfalls Rituale, die im Zusammenhang mit Geschenken das Zusammenleben der Menschen verbessern halfen. Die Sitte, einem Gastgeber eine Kleinigkeit mitzubringen, hat sich bei vielen auch heute noch erhalten. Und man denke an das uralte Ritual der Werbung um die Frau, das heute für viele eine Renaissance erfährt, und das sich früher über Wochen, Monate oder sogar Jahre hinziehen konnte, auch dazu gehörten Geschenke. Ob diese in Form von Blumen, Gedichten, Gesängen oder Schmuck überreicht wurden, war vom Geldbeutel, den persönlichen Talenten oder auch der Motivation des Werbenden abhängig. Geschenke zur Brautwerbung, zum Geburtstag, zur Hochzeit, Taufe, Geschenke zum Hochzeitstag und zu vielen anderen Anlässen haben eine tief verwurzelte Tradition. Vielleicht sollte man sich diese Möglichkeit zur Festigung von Familien- und Freundschaftsbanden nicht voreilig verbauen und sich beim Schenken nicht zu sehr zurückhalten. Den Versuch ist es sicher wert.